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AutorenbildAchim

Drei Tage bei minus 46 °C ohne Heizung

Aktualisiert: 9. Jan.

Ein Erfahrungsbericht aus Nordschweden. Mit Video.


Im Winter 2023/24 arbeitete ich, wie schon in den Jahren zuvor, wieder in Nordschweden auf einer Huskyfarm als Guide und Doghandler. Zusätzlich hatte ich mir für diesen Winter ein weiteres Ziel gesetzt: eine eigene Winter Expedition mit Freunden.

Meine Ausrüstung war daher auf eine anspruchsvolle Winter-Pulka-Tour in den Bergen ausgelegt – eine Herausforderung, die deutlich mehr Vorbereitung erforderte als meine Arbeit auf der Huskyfarm. Auf Temperaturen bis zu minus 35 Grad war ich bestens vorbereitet.

Fantastische Farben während der Polarnacht

1. Vorbereitung: Der Weg ins eisige Abenteuer

In der Zeit zwischen etwa dem 10. Dezember und dem 10. Januar herrscht in dieser Region Polarnacht. Das bedeutet, die Sonne geht überhaupt nicht auf und bleibt selbst mittags unter dem Horizont verborgen. Dennoch gibt es in der Mittagszeit ein paar Stunden Dämmerlicht, und bei klarem Himmel leuchtet der Horizont in atemberaubenden Farben – ein faszinierendes Farbenspiel vor der schneeweißen Kulisse der nordschwedischen Landschaft. Schon allein dafür lohnt sich die Reise. Und dort zu arbeiten, ist für mich ein absoluter Traum.

Die Temperaturen schwanken jedoch stark, da sie von den Luftmassen abhängen, die je nach Wetterlage aus verschiedenen Himmelsrichtungen kommen. Es ist keine Seltenheit, dass sich die Temperatur innerhalb weniger Stunden um bis zu 30 Grad verändert – eine echte Herausforderung für Mensch und Ausrüstung.


Meine Ausrüstung für extreme Kälte

Um auf diese Bedingungen vorbereitet zu sein, hatte ich folgende wesentliche Ausrüstungsgegenstände dabei:

  • Daunenschlafsack Cumulus Custom Made: Komfortbereich bis -35 Grad.

  • Daunenschlafsack Carinthia Kunstfaser: Komfortbereich bis -20 Grad, als zusätzliche Schicht.

  • Rentierfell-Schlafunterlage: Hervorragend isolierend.

  • Klymate Winter-Isomatte: Für optimale Isolation vom kalten Boden.

  • Decathlon Falt-Schaumstoffmatte: Backup, falls die aufblasbare Isomatte versagt.

  • Bergans Daunen-Latzhose: Für maximale Wärme.

  • Bergans Daunenüberhandschuhe: Um die Hände warm zu halten.

  • Decathlon Daunenjacke mit Kapuze: Sehr dick und ideal für extreme Kälte.

  • Decathlon Daunenjacke MT900: Leichter und speziell zum Schlafen geeignet.

  • Daunenfüßlinge: Unverzichtbar bei den Temperaturen.


Die vollständige Ausrüstungsliste findest du hier kostenlos mit Anmeldung: [Link].



Leben im VW-Bus bei arktischen Temperaturen

Wie immer lebte ich während dieser Zeit in meinem treuen VW T4-Bus. Im Innenraum hatte ich eine normale Matratze mit einem Schaffell als zusätzliche Isolation sowie eine Dieselstandheizung, die mir bis etwa minus 35 Grad zuverlässig Wärme spendet. Dann wird das Diesel Luft Gemisch zu kalt und sie brennt nicht mehr.


Temperaturen unter -40 Grad sind auch in Nordschweden extrem selten. Ältere Einheimische erzählten mir, dass sie solche Kälte zuletzt vor etwa 50 Jahren erlebt hätten. Daher rechnete ich nicht damit, dass es kälter als -35 bis -38 Grad werden würde – Temperaturen, die ich in früheren Wintern schon erlebt hatte.

Doch ich war mir bewusst, dass die Dieselstandheizung bei etwa -36 Grad ausfallen könnte.


 Gedanklich hatte ich mich auf diesen Fall vorbereitet, praktisch jedoch nur begrenzt. Eigentlich hatte ich geplant, den Beifahrersitz auszubauen und stattdessen einen Holzofen auf dem Sitzsockel zu installieren. Die Idee war, über eine Spirale heißes Wasser zu erzeugen, um damit den Diesel zu erwärmen. Allerdings hatte ich das Stromproblem nicht gelöst: Mein benzinbetriebener Stromgenerator versagte oft schon bei minus 30 Grad, da ich ihn bei diesen Temperaturen nicht mehr starten konnte.


Ein Holzofen hätte zumindest tagsüber genug Wärme erzeugt – solange das Feuer brennt. Doch nachts wäre es problematisch geworden. Letztlich blieb der Ofen ein unausgeführtes Projekt, und ich musste ohne ihn auskommen.

Das bedeutete, dass ich mich mit anderen Strategien durchkämpfen musste, um in meinem Bus zu überleben.


Strategien, um bei extremer Kälte warm zu schlafen

Beim Schlafen in extremer Kälte gibt es mehrere Strategien, um warm und vor allem sicher zu bleiben. Eine der größten Gefahren besteht darin, sich von einer Wärme eines Ofens oder einer unzuverlässigen Heizung in die Irre führen zu lassen: Wer abends im warmen Bus oder Zelt zu dünn angezogen in relativer Wärme und Behaglichkeit einschläft, riskiert, dass die Körpertemperatur im Schlaf gefährlich absinkt – und man möglicherweise nicht mehr aufwacht.


Stattdessen ist es wesentlich besser, sich maximal isoliert im Kalten in den Schlafsack zu legen und die Wärme gezielt von innen aufzubauen. Eine bewährte Methode dafür ist die Nutzung einer Wärmflasche. Sie sorgt nicht nur für eine angenehme Grundwärme, sondern hilft auch, den Schlafsack effizienter zu heizen.

Meine genaue Strategie schreibe ich letzten Abschnitt.


Der nächtliche Kampf mit der Kälte und der Toilette

Ein weiteres Problem bei diesen Temperaturen: das nächtliche Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen. Selbst wenn ich bewusst wenig trinke (was ich eigentlich vermeiden sollte, da es den Körper zusätzlich belastet), muss ich meist gegen vier Uhr morgens einmal aufstehen – oder besser gesagt, mich mit einer improvisierten Lösung im Schlafsack arrangieren.

Hier kommt die Urinflasche ins Spiel. Es ist tatsächlich eine kleine Kunst, im Liegen im Schlafsack zu pinkeln, ohne etwas zu verschütten. Da man dabei nichts sieht und auf engen Raum agieren muss, braucht es Übung – und die ist wichtig. Denn eine undichter Flasche oder ein nasser Schlafsack wären in dieser Situation eine Katastrophe.


Nächtliches Aufwärmen: Eine Herausforderung

Eine der härteten Aufgaben bei Temperaturen weit unter null ist es, um vier Uhr morgens wieder Wärme im Schlafsack aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Körper im Ruhemodus, und die Eigenwärme reicht oft nicht aus, um den Schlafsack schnell wieder aufzuheizen. Dieser Prozess kann gut 30 Minuten dauern – eine Zeit, die in der eisigen Kälte zur Geduldsprobe wird.


Welche Strategie ich verwende, um genau dieses Problem zu lösen, erkläre ich unter Punkt 3.



2. Wie es sich in dieser Situation anfühlt


Die entstehende Survival-Situation

Anfang Januar geschah es: Über Nacht zog eine extrem kalte Luftmasse über Nordschweden, und die Temperaturen fielen auf ein extrem niedriges Niveau. Es war Polarnacht, und die Sonne blieb die ganze Zeit hinter dem Horizont verborgen.

Tagsüber wurde es nur für wenige Stunden dämmrig hell. Der Schnee lag in einer relativ niedrigen Schicht von etwa 50 Zentimetern – typisch für diese Jahreszeit, da es meist nur bei deutlich wärmeren Temperaturen schneit.

Die erste Nacht brachte minus 35 Grad. Mein wärmerer Winterschlafsack ist auf etwa minus 35 Grad Komforttemperatur ausgelegt, mein zweiter Schlafsack auf minus 20 Grad. Kombiniert boten sie zwar guten Schutz, aber bei Temperaturen um minus 45 Grad wurde es im Schlafsack trotzdem frisch.


Das Ende der Dieselheizung

Meine Diesel-Standheizung, die normalerweise für Wärme im VW-Bus sorgt, funktioniert bis zu einer Temperatur von etwa minus 36 Grad. Zwar bleibt der Winterdiesel bei diesen Temperaturen noch flüssig, aber das Luft-Diesel-Gemisch wird schlichtweg zu kalt, um zu zünden. Ich habe ein paar Tricks ausprobiert, wie etwa die warme Innenluft unter der Decke als Verbrennungsluftzufuhr zu nutzen, was mir noch ein bis zwei Grad Spielraum verschafft hat. Doch irgendwann ist Schluss – die Heizung gibt auf.

Das eigentliche Problem war die Stromversorgung: Meine Blei-Batterien verloren bei dieser Kälte massiv an Leistung. Ohne einen funktionierenden Generator oder Landstrom konnte ich die Dieselheizung schlichtweg nicht mehr starten. Mein benzinbetriebener Stromgenerator, der als Backup dienen sollte, ließ sich bei diesen Temperaturen ebenfalls nicht mehr in Gang bringen. Und der Diesel-Motor des VW-Busses war längst nicht mehr startfähig. Das Fazit war ernüchternd: Es gab keine Heizung mehr.


Die Realität in Nordschweden bei extremer Kälte

In Schweden wird in vielen Gebäuden elektrisch geheizt. Selbst in den kleinen Holzhütten und Häusern sorgen oft zusätzliche Heizlüfter dafür, dass die Temperaturen oft nur knapp über dem Gefrierpunkt bleiben. Wirklich gemütlich wird es nur in Häusern mit einem Holzofen, der auch bei Stromausfällen unabhängig Wärme liefert oder in denen, die ans Fernwärmenetz angeschlossen sind.

Doch in dieser Kältephase führten die extremen Temperaturen und benötigtem Strommengen zu regionalen Stromausfällen, die teilweise über Stunden anhielten – eine zusätzliche Belastung für alle, die keine alternative Wärmequelle hatten.


Wie lebt es sich bei diesen Temperaturen?

Es ist schwer in Worte zu fassen, wie es sich anfühlt, wenn die Kälte alles durchdringt. Im Bus war die Isolation für normale Winterbedingungen ausgelegt, aber diese Temperaturen stellten jede Vorbereitung auf die Probe.


Das Wasser in den Getränkeflaschen war längst gefroren, und selbst der Atem wurde zur Herausforderung, da er sofort an den kalten Innenwänden des Busses kondensierte und dort zu einer dünnen Eisschicht gefror.

Der einzige Kocher der noch zuverlässig lief und auch genug Energie hat, war der Benzinkocher. Zwar brannte der Spirituskocher auch noch, nur brauchte es ewig, um mit ihm eine heiße Mahlzeit zu kochen.


Die Erkenntnis, dass es keinen Raum für Fehler gibt, fokussiert. Bei dieser Kälte konnte selbst ein kleines Missgeschick – etwa ein nasser und dann durchgefrorener Schlafsack oder ein kaputtes Kleidungsstück – schnell gefährlich werden.

Es ging nicht mehr darum, Komfort zu finden, sondern schlicht darum, zu überleben.



3. Psychische Belastung und praktische Tipps


Die psychische Belastung

In der letzten Nacht dieser extremen Kälte war die psychische Belastung besonders hoch. Im Bus war alles, inklusive meiner Ausrüstung, längst durchgefroren, und selbst meine Schlafsäcke hatten durch die aufgenommene Feuchtigkeit an Isolationsleistung verloren.


Als ich mich abends schlafen legte, zeigte das Thermometer bereits minus 43 Grad an. In der Nacht zuvor wurden sogar minus 46,5 Grad gemessen. Die Sorge, dass es in dieser Nacht unter minus 50 Grad fallen könnte, machte mir enormen Stress.


Die Vorstellung, alleine im Wald einer solchen Temperatur ausgesetzt zu sein, war überwältigend.

Ich packte mich mit meiner Wärmflasche und den beiden Schlafsäcken ein. Anfangs war es mollig warm, doch dann hatte ich nach wenigen Minuten ein beklemmendes Gefühl und bekam Enge und Platzangst. Ich musste so schnell wie möglich aus dem Schlafsack heraus.


Eine kurze Panikattacke setzte ein. Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder beruhigen konnte, doch dabei verlor ich kostbare Wärme. Schließlich schaffte ich es, wieder in die Schlafsäcke zu kriechen und einzuschlafen.

Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: In der Nacht zogen wärmere Luftmassen heran. Die Temperaturen stiegen bis zum Morgen auf minus 35 Grad – was sich nach dieser Kältewelle warm anfühlte. Am Abend des folgenden Tages waren es sogar nur noch minus 10 Grad.

Ich erinnere mich, wie ich plötzlich im T-Shirt durch die Gegend lief.


Wachsende Resilienz und Referenzerfahrung

Diese Erfahrung hat meine persönlichen Grenzen erneut verschoben. Bis dahin lag meine Wohlfühlgrenze bei etwa minus 38 Grad – Temperaturen, bei denen ich ohne Heizung gut zurechtkam. Doch jetzt hatte ich mehrere Tage bei bis zu minus 46,5 Grad durchlebt. Zwar bot mir der Bus Schutz vor dem Wind, doch ansonsten war er vollkommen durchgefroren. Es war eine neue Referenzerfahrung.


Seitdem empfinde ich gedanklich minus 35 oder minus 38 Grad als relativ warm. Minus 20 Grad sind sogar angenehm, um zu arbeiten und zu leben.


Mein Lebens- und Arbeitsbereich umfasst nun eine Spannbreite von +47 Grad im Schatten in der Sahara bis zu minus 46 Grad im hohen Norden – ein beeindruckender Temperaturbereich von fast 90 Grad. Es ist erstaunlich, wozu wir Menschen fähig sind, wenn wir uns anpassen.


Meine Strategie bei dieser Kälte zu schlafen

Wenn du selbst einmal in solchen Bedingungen überleben musst oder dich von dieser Erfahrung inspirieren lässt, hier meine bewährte Strategie:

  1. Isolierter SchlafplatzDer Innenraum des Autos oder Zelts sollte annähernd die Außentemperatur haben, bevor du dich in den Schlafsack legst. Dadurch vermeidest du Kondenswasserbildung, die die Isolation deines Schlafsacks beeinträchtigt. Außerdem trägst Du im Schlafsack bereits die Kleidung, mit welcher Du durch die ganze Nacht kommst.

  2. Kleidung im SchlafsackZiehe dich direkt so an, wie du die Nacht durchschlafen möchtest:

    • Daunenfüßlinge über normale Socken

    • Dicke lange Unterhose

    • Dünne Daunenjacke

    • Sturmhaube

    • Dünne Handschuhe

    • Dünne Daunenjacke mit Kaputze

    So bist du auch bei einem nächtlichen Toilettengang geschützt, denn jede Sekunde in der Kälte zählt.

  3. Wärmflasche und Ersatz Eine Wärmflasche mit heißem Wasser hält im Schlafsack etwa 4 bis 6 Stunden warm. In einer zusätzlich isolierten Thermosflasche bewahre ich heißes Wasser auf, um die Wärmflasche bei Bedarf beim Toilettengang umzufüllen. Ohne erneuerte Wärmequelle ist es nachts sehr schwer wieder eine gemütliche Wärme im Schlafsack aufzubauen, denn der Körper ist morgens maximal herunter gefahren.

  4. Urinflasche Ich verwende eine Krankenhaus-Urinflasche, um nächtliches Aufstehen zu vermeiden. So kann ich seitlich liegend im Schlafsack „Klein“ machen. Wichtig: Sofort leeren, da die Flasche bei diesen Temperaturen schnell einfriert.

  5. Zwei Schlafsäcke übereinander Bei extremer Kälte nutze ich zwei Winterschlafsäcke, die ich sorgfältig übereinander schließe. Dieser Vorgang dauert mehrere Minuten und erfordert Ruhe, damit keine Wärme entweicht. Eine kleine Kopflampe um den Hals hilft es im Schlafsack hell zu haben und ist auch bei Panikattacken beruhigend.


Mein Fazit: Vorbereitung, Achsamkeit und Nachdenken sind entscheidend, um in solchen Extremsituationen zu überleben. Wenn du dich diesen Bedingungen aussetzen willst, teste deine Ausrüstung im Voraus und trainiere grundlegende Handgriffe – sie können dein Leben retten.

ENDE



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